Nach schlimmen Unfällen oder Bränden brauchen nicht nur Angehörige der Opfer Hilfe. Auch die Retter im Landkreis geraten immer wieder an die Grenze des Verkraftbaren.
Es sind Einsätze, die wohl keiner mehr vergessen wird. Im August dieses Jahres prallt ein Wagen auf der B10 zwischen Röfingen und Roßhaupten gegen einen Baum. Als die Feuerwehr eintrifft, ist ein junges Paar in dem Auto bereits verbrannt. Wenige Tage später wird eine Familie bei einem Feuer in einem ehemaligen Bauernhof in Ziemetshausen schwer verletzt. Eine der beiden Töchter, erst drei Jahre alt, stirbt später im Krankenhaus. Während solcher Einsätze wahren Feuerwehrleute, Sanitäter und Polizisten zwar noch professionelle Distanz, doch danach merken viele, dass diese Erlebnisse nicht spurlos an ihnen vorbeigehen.
Die Kommandanten der Feuerwehren Günzburg, Krumbach, Burgau, Leipheim, Ichenhausen und Ziemetshausen sowie der Kreisverband des Roten Kreuzes bestätigen im Gespräch mit unserer Zeitung übereinstimmend, dass die Belastung durch Einsätze zunehme. Alle legen deshalb großen Wert darauf, dass über das Erlebte gesprochen wird, um es zu verarbeiten. Dass jemand wegen psychischer Probleme aus dem Dienst ausgeschieden ist oder dies vorhat, sei ihnen allerdings nicht bekannt. Im Gegensatz zu Kreisbrandrat Robert Spiller.
Die psychische Belastung nimmt zu
Die Belastung durch Einsätze habe dazu geführt, dass sich einige Kameraden in psychologische Behandlung begeben mussten oder überlegten, die Wehr zu verlassen. „Das Klischee des harten Feuerwehrmanns stimmt so nicht mehr“, sagt Spiller. „Wir stecken zwar viel weg, aber es bleibt auch einiges an uns hängen.“ Er rechnet damit, dass in den nächsten Jahren Kameraden aufhören werden, aber einen anderen Grund vorschieben, „um sich nicht zu outen“. Mancher, der gerne zur Feuerwehr kommen würde, könnte sogar abgeschreckt werden.
Woran das liegt? Eine fundierte Erklärung dafür hat niemand. Denn wegen des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht werden keine Statistiken über psychisch belastete Einsatzkräfte geführt, weder bei der Feuerwehr noch bei Rettungsdienst oder Polizei. Ein möglicher Faktor, der oft als Erklärungsversuch zu hören ist und vor allem den ehrenamtlichen Bereich betrifft, ist die Doppelbelastung: Der Druck im Beruf hat über die Jahre zugenommen, und auch die Arbeit im Ehrenamt wird komplexer. Beides in Einklang zu bringen und dabei nicht die Familie zu vernachlässigen, fällt zunehmend schwerer. Ist man dann noch belastenden Erlebnissen bei einer Tätigkeit ausgesetzt, mit der man anderen helfen will, kann alles zu viel werden.
Beruf, Familie und Ehrenamt lassen sich nicht immer vereinbaren
Denen zu helfen, die den Druck nicht mehr aushalten, ist die Aufgabe von Andrea Berchtold. Sie hat nicht nur eine halbe Stelle als Sanitäterin beim Rettungsdienst und führt in der restlichen Zeit eine Praxis, in der sie seelisch Belasteten zur Seite steht. Vor allem koordiniert sie ehrenamtlich auch den Kriseninterventionsdienst im Kreis Günzburg, der sich unter dem Dach des Roten Kreuzes nach Unglücken ehrenamtlich um die Opfer und deren Angehörige kümmert.
Über die Jahre ist sie aber auch zur Ansprechpartnerin für Einsatzkräfte geworden. Weil sie bei ihr anonym bleiben können und weil Berchtold sich im Rettungswesen auskennt, verarbeiten viele am liebsten mit ihr belastende Erlebnisse. Inzwischen seien es aber so viele, die zu ihr kommen, dass sie sich zusätzlich zu ihrer Arbeit und dem Ehrenamt kaum noch allen annehmen könne. Zumal sie selbst an ihre Grenze stößt. Nach einem 32-stündigen Einsatz im Kriseninterventionsdienst erlitt sie einen Krampfanfall und darf drei Monate nicht mehr im Rettungsdienst eingesetzt werden. Deshalb macht sie sich Gedanken, wie sie all diese Aufgaben künftig schultern und finanzieren kann.
Mit dem Roten Kreuz (BRK) hat sie jetzt vereinbart, dass sie sich zunächst sechs Monate lang weiter um die Beschäftigten im Rettungsdienst kümmert und ihr der Aufwand wie auch einer Stellvertreterin vergütet wird. Sie führt solange eine anonyme Statistik. So soll der Bedarf für das Gesprächsangebot dokumentiert werden, um vielleicht eine dauerhafte Stelle zu schaffen, erklärt BRK-Kreisgeschäftsführer Werner Tophofen. Er will nun Kontakt zur Politik aufnehmen, damit es auch eine Lösung für andere Einsatzkräfte geben kann. Denn bezahlt wird Andrea Berchtold vom Roten Kreuz jetzt nur die Arbeit für das BRK.
Die 49-Jährige ist zwar froh, dass sie sich vorerst weiter um die Kollegen im Rettungsdienst kümmern und durch die finanzielle Unterstützung die andere Arbeit reduzieren kann. Sie hofft aber auch darauf, dass sich beispielsweise für die Feuerwehr eine Lösung findet. „Bis zum Ende des Jahres kümmere ich mich noch weiter ehrenamtlich um sie“, erklärt Berchtold. „Danach muss ich damit aus gesundheitlichen Gründen aber leider aufhören, wenn es keine Lösung gibt.“
Die Belastung von Einsatzkräften soll auch Thema im Kreistag sein. Auf Anfrage erklären alle Fraktionen, dass sie sich Lösungen für die ehrenamtlichen Retter nicht verschließen wollen.
Wer Opfern, Angehörigen und Rettern hilft
Opfer und Angehörige
Um sie kümmern sich Notfallseelsorge und Kriseninterventionsdienst. Während erstere von den Kirchen getragen wird, halten Rettungsorganisationen letzteren vor. Weil immer mehr Pfarreien zusammengelegt werden und es weniger Priester gibt, setzen sich auch viele andere kirchliche Mitarbeiter ehrenamtlich in der Notfallseelsorge ein. Auch der Kriseninterventionsdienst arbeitet meist ehrenamtlich.
Einsatzkräfte
Die Polizei beschäftigt in Bayern eigene Psychologen, Ärzte und Seelsorger, die sich um die Beamten kümmern. Bei vielen Feuerwehren und Rettungsdienstorganisationen werden Einsatzkräfte speziell ausgebildet, um als sogenannte Peers auf ihre Kollegen zu achten und sich um sie zu kümmern. Bei Bedarf können auch Notfallseelsorger und Kriseninterventionsdienst Gesprächspartner für belastete Einsatzkräfte sein.
Quelle: Augsburger Allgemeine
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